Fliegerhorst Nörvenich

Eurofighter Fliegerhorst Nörvenich

Das war beeindruckend. Von „null auf hundert“ in zwei Sekunden. Von „null auf zweihundert“ in fünf Sekunden. Von „null auf dreihundert“ in zehn Sekunden. Beeindruckend schnell, laut, präzise. Möglich ist die zweifache Schallgeschwindigkeit. Mit dem Eurofighter.


50 Lions und Gäste hatten die Gelegenheit einen Eurofighter zu inspizieren und den Soldaten des JaBoG 31 „B“ Fragen zu stellen, die mit Kompetenz und Geduld beantwortet wurden.

Der steht auf dem Fliegerhorst in Nörvenich. Auf einem von derzeit drei Eurofighter- Stützpunkten in Deutschland. Der kleine Flieger ist bewacht und eigentlich streng vertraulich. Aber ganz besondere Besuchergruppen dürfen sich dem Flugzeug nähren, das 140 Millionen Euro kostet. Eine besondere Besuchergruppe: Das waren die Mitglieder des Lions Club Aachen Dreiländereck. Und Freunde. Es war die erste LionsCursion, die organisiert und durchgeführt worden war.

Die Anreise zum Fliegerhorst Nörvenich erfolgte individuell. Trotz einiger Navi- Probleme – der Fliegerhorst liegt für manche Technik im Niemandsland - hatten sich schließlich 50 Teilnehmer an der Hauptwache eingefunden. Dort war Baustelle: Der Fliegerhorst befindet sich im Umbruch. Die von den unkundigen Aachenern zunächst als „Hauptwache“ erkannten - aber völlig unbewachten – Gebäude, stellten sich als Tarnung heraus. Die „richtige“ Hauptwache kam erst 500 Meter später.

Nach dem „check-in“ bewegte sich der Fahrzeugkonvoi mit 20 Autos unter Führung eines Bundeswehr PKW - ohne die typischen blauen und grünen Kolonnenflaggen ☺ - zum zentralen Parkplatz. Dort stiegen wir in einen Bus und wurden von Kommodore Oberst Hoppe (Baujahr 1965) herzlich begrüßt. Der Kommodore zeigte sich beindruckt von der Stärke unseres Aufmarsches☺. Er ist seit drei Jahren Chef des Jagdbombergeschwader 31 „Boelcke“ in Nörvenich sowie demnächst eines weiteren Eurofighter-Stützpunktes in Wittmund. Selber ist er aktiver Pilot. Das alles ist sein Traumjob. Sagt er. Mit einem Lächeln. Sehr glaubhaft.

Der Fliegerhorst ist richtig groß. Mit dem Bus fuhren wir  vorbei an Baumgestrüpp und geschichtsträchtigen Gebäuden. Vorbei an Landebahnen und Zäunen. Vorbei an Bunkern, die aus der Zeit des Kalten Krieges stammen. „Jedes Flugzeug hatte damals einen eigenen, durch Bäume und Strauchbewuchs getarnten, Bunker“, erklärte Oberst Hoppe. Diese Bunker waren/sind in unterschiedlichen Himmelsrichtungen ausgerichtet. Die einzelnen Staffeln des Geschwaders waren damals an verschiedenen Stellen des Horstes angesiedelt, um einen gleichzeitigen Angriff auf alle Staffeln zu erschweren.

Nach Ende des Kalten Krieges sind derartige Maßnahmen nicht mehr erforderlich und die Flugzeuge werden heute in Zehnergruppen von Garagen nebeneinander untergebracht. Offensichtlich. Direkt an der Startbahn.

Der Bus stoppte an einer dieser Garagen und wir kamen dem Eurofighter ganz nah. Sensation für uns: Wir durften fotografieren.

50 Lions und Gäste hatten die Gelegenheit einen Eurofighter zu inspizieren und den Soldaten des JaBoG 31 „B“ Fragen zu stellen, die mit Kompetenz und Geduld beantwortet wurden.


Kommodore Oberst Hoppe (Mitte) und Lions-Dreiländereck Präsidentin Kerstin Heinen (im Vordergrund) am Eurofighter.

Der Eurofighter ist ein Gemeinschaftswerk der Länder Spanien, Italien, Großbritannien und Deutschland. Jede dieser Nationen steuert bestimmte Teile zu diesem besonderen Flugzeug bei. Deutschland ist mit der Fa. MTU für die Triebwerke zuständig. Die Endmontage des Flugzeugs führt jede Nation als Nutzer eigenverantwortlich durch.

Mit einer Länge von 16 Metern, einer Breite/Spannweite von 12 Metern, einer Höhe von mehr als 5 Metern bringt der Eurofighter ein Leergewicht von 11 Tonnen auf die Waage. Treibstoff, Bewaffnung, Nutzlast und weitere Zuladung - Piloten fallen nicht ins Gewicht - führen zu einem maximalen Startgewicht von 24 Tonnen.

Die beiden Triebwerke - der Laie sieht nur eins, zumindest beim Blick auf das Heck - mit je 60 kN Schub (90 kN mit Nachbrenner) erlauben bei einer Flügelfläche von 50 Quadratmetern eine Steigrate von knapp 300 Metern pro Sekunde. Die maximale Dienstgipfelhöhe beträgt 17.000 Meter.

Beim Start – für den eine Startbahn von 500 Meter ausreicht – ermöglichen sie eine in Kampfflugzeugen bisher unerreichte Beschleunigung. Eben von „null auf hundert“ in zwei Sekunden. Von „null auf zweihundert“ in fünf Sekunden. Von „null auf dreihundert“ in zehn Sekunden. Im Extremfall schafft es der Eurofighter auf zweifache Schallgeschwindigkeit (Mach 2; ca. 2000 km/h). Was heißt das? „Das Blut wird in die Beine gedrückt. Der Kopf wird nicht mehr mit Blut versorgt. Die Augen nicht mehr mit Sauerstoff“, umreißt Andreas Hoppe sachlich eine Situation. Warum kommt es zu keinen Unfällen? „Weil ein besonderer Anzug verhindert, dass unser Kopf blutleer nicht mehr arbeitet. Bevor wir Piloten in den Flieger steigen, steigen wir in diesen Anzug.“

Eigentlich fliegen die Eurofighter-Piloten mit Mach 0.8 bis Mach 1.3 - 800 bis 1300 km/h. Fuß vom Gas spart Geld. Spritverbrauch ist ein Thema. Die insgesamt gut 6000 Liter in den Tanks stellen den Vorrat für etwa eine gute Flugstunde. Beim Einsatz des Nachbrenners gehen rund 600 Liter pro Minute durch die Triebwerke. Reichweite nur eine Stunde? Nein. Denn in der Luft kann getankt werden. Auch über dem Atlantik. Dazu begleitet den Eurofighter ein Tankflugzeug. Ein Tankrüssel wird in der Luft an dem Kampfflieger angedockt. Der Eurofighter wird aufgetankt. Schwindelerregend.

Der Eurofighter ist aerodynamisch instabil. Erst computergesteuerte Steuerflächen machen ihn flugfähig. Vier voneinander unabhängige Computer, von denen jeder die Steuerung alleine übernehmen könnte, garantieren eine Ausfallwahrscheinlichkeit von weniger als eins zu einer Milliarde Millionen. Zum Vergleich: Die Wahrscheinlichkeit von 6 Richtigen im Lotto liegt etwa bei eins zu hundert Millionen.

 Im Gegensatz zu früheren Flugzeugen wird alles was als „normal“ gelten kann gar nicht von den Instrumenten angezeigt. Nur im Falle von Problemen sieht der Pilot die im Cockpit. So konzentriert er sich auf die taktischen Aufgaben. Auf Gegner in der Luft.

Bisher wurden international 700 Eurofighter ausgeliefert, am 1. März 2013 erhielt die Luftwaffe ihren 100ten – der ging als 20ter nach Nörvenich. Einer kostet 140 Millionen Euro. Das ist der Systempreis, denn Ersatzteile und Pilotenausbildung für einen Zeitraum von zehn Jahren werden pro Flieger gemittelt.

Im Unteroffiziersheim sprach Kommodore Andreas Hoppe über den Fliegerhorst, seine Geschichte, über die Eurofighter und über die aktuelle Lage des Geschwaders, in dem es derzeit 1261 Beschäftigte gibt. Davon sind 1082 Soldaten - gleicher Anteile Berufs- und Zeitsoldaten sowie 69 Freiwillige - sowie 179 Zivilisten wie Techniker und Fahrer. Die Anzahl der Beschäftigten wird in den kommenden 2 bis 2.5 Jahren auf ca. 900 sinken. Während der Oberst sprach, aßen die Besucher Schnitzel.

Der Namensgeber des Geschwaders - Hauptmann Oswald Boelcke (+1916) - war Fliegerass im 1. Weltkrieg und Lehrer von Baron von Richthofen. Besonders bekannt war er für die Entwicklung von Taktiken des Luftkampfs.

Die wesentlichen Meilensteine in der Geschichte des JaBo Boelcke sind:

1958 erster Verband der Luftwaffe
1961 erster Verband mit Starfighter
1983 erster Verband mit Tornado
2001 Einführung von Präzisionswaffen
2009 dritter?Verband Eurofighter
1.7.2010 erster beim Eurofighter Flugbetrieb Luft/Luft und Luft/Boden

Das Geschwader befindet sich in einem allgemeinen Umbruch, der nicht nur durch die Umstellung auf den Eurofighter, damit verbundene Baumaßnahmen und Umschulung der Piloten, sondern auch durch politische Entwicklungen bedingt ist.

Bis 2010 waren in Nörvenich Tornados beheimatet. Die aktuell 22 Flugzeuge sind Eurofighter, die von derzeit 20 Piloten geflogen werden. Angestrebte Zielgröße sind 31 Flugzeuge und 54 Piloten. Diese werden dann den Flugbetrieb von aktuell 10 bis 12 Flügen pro Tag auf zukünftig 20 Flüge pro Tag ausdehnen.

Im Kalten Krieg war das gesamte Geschwader innerhalb von 4 Stunden einsatzbereit. Die heutigen Aufgaben sind vielfältig und bestehen auch in der Stellung einer „Alarmrotte“ zur Sicherung des Luftraums. Diese „begleitet“ zivile Flugzeuge, die absichtlich oder unabsichtlich - auf jeden Fall unberechtigt - in den Luftraum eingedrungen sind - oder aber technische Probleme haben - zum nächsten Flughafen. Diese „Alarmrotten“ sind in weniger als 15 Minuten - Bestleistung: 8 Minuten – einsatzbereit und sind nach dem Start in weniger als 30 Minuten in Berlin.

Nach dem Essen wurde es schnell und laut. Nachtflug der Eurofighter stand auf dem Programm. Alarmrottenübung live. Das erste Flugzeug stellte den Eindringling dar, der von zwei folgenden Maschinen gestellt werden sollte.

Beeindruckend war der Lärm. Beeindrucken die extrem kurze Strecke bis zum Abheben. Beeindruckend der extrem schnelle Gewinn an Höhe. Beeindruckend der extrem helle Strahl des Triebwerks am Nachthimmel.

Der Lions Clubs Aachen-Dreiländereck bedankt sich herzlich bei den Mitarbeitern des JaBoG 31 „Boelcke“, besonders bei Leutnant Groß und Oberst Hoppe. Danke für einen interessanten, unvergesslichen Abend.

Beeindruckend war nicht nur: Von „null auf hundert“ in zwei Sekunden. Von „null auf zweihundert“ in fünf Sekunden. Von „null auf dreihundert“ in zehn Sekunden. Der gesamte Besuch war beeindruckend. Die Einblicke waren es. Und letztlich der Eurofighter.

 

Aachen, den 13.6.2013

Dr. Georg J. Schmitz / Conny Stenzel-Zenner